Beiträge von Widow Blake

    Die Witwe bedankte sich bei der jungen Beamtin, die auch schon wieder unterwegs zurück zu ihren Aufgaben war. Allein in dem hellen Raum, lies sich die Witwe dankbar auf eine freie Bank sinken. Die ruhige Kühle in diesem Amt gefiel ihr. So zivilisiert!

    Wartezeit sollte genutzt werden, also nahm sie ihr kleines Büchlein wieder zur Hand und vertiefte sich in die Vokabeln, die sie sich darin notiert hatte.

    Die Witwe seufzte. Dann musste sie es wohl doch in der Landessprache versuchen "Ik suche nach jemand, wo kann mir Fragen beantworten fur...",

    ihr Tonfall war nun deutlich weniger selbstsicher. Sie wusste selbst: Ihr Akzent war furchtbar! Aber was soll man machen? Innerhalb weniger Monate hatte sie zumindest die Grundzüge der fremden Sprache erlernen können. Also: Augen zu und durch: "Nun, ik brauche zuerst anmal Beratung bei ... Anburgerung?"

    War das der richtige Begriff?

    "Oh, und ik muss mit jemandem sprechen wegen Gewerbeanmeldung." Ging doch ganz gut soweit! DIe Witwe lächelte die junge Dame freundlich an. "Konnen Sie mir viellaicht helfen, wo ik kann finden Jemanden dafur?"

    Während sie die Staatskanzlei betrat, schloß die Witwe ihren Sonnenschirm. Nach dem hellen Sonnenlicht auf der Strasse, erschien es ihr nun im Inneren des hellen Gebäudes gradezu finster zu sein. Und kühl! Zum Glück... Das hiesige Wetter vertrug sich nicht besonders gut mit anständiger Trauer. Aber da konnte man wohl nichts machen.

    Sie räusperte sich, zupfte kurz an ihren Handschuhen und schritt dann selbstbewusst einer jungen Beamtin in den Weg, die gerade mit einen Stapel Akten durch die stille Vorhalle huschte. "Excuse me, Miss! I am looking for someone about..." -an dieser Stelle warf die Witwe einen Blick in das kleine Büchlein, dass sie immer bei sich führte um Ideen, Verabredungen und ähnliche Nachrichten von Interesse nicht aus den Augen zu verlieren- "...about... citizenship, economic possibilities and skillt labor regarding .. well, needlework.". Ihr kleines Büchlein schnappte mit einem überraschend lauten knall zu, sie hob fragen die Augenbraue und sah die Beamtin erwartungsvoll an.

    " Thank you, Mister Obnoxius. That's very kind of you to tell me", antwortete die Witwe wieder mit gewohnter Höflichkeit. "I am aware of that rule." Sie griff nach ihrem Glas, "it seems like an quite blunt attempt to get more citizens of an... rather prosperous background, doesn't it?" Sie lächelte ihr gewinnenstes Lächeln. ""Did you set this up? I know you are something of an politician here."

    Die Witwe lächelte ihr Gegenüber an. "Oh, I doubt it.", dachte sie, " you have not the slightest idea what all of that means to me." Ein weiteres Seufzen (Himmel, wie sie das hasste! Aber von Damen wurde nun einmal eher ein tiefer Seufzer als tiefe Konversation erwartet.)

    "You know, your letter arrived just at the right time!" Die Witwe rutschte ein wenig auf ihrem Platz herum. So seriös und gesittet ihre Herkunfft und Erziehung sie auch geformt hatten, eine gewisse abenteuerlustige und, nun, "leidenschaftliche" Disposition in ihrem Wesen konnte sie noch nie zurück halten.

    "My beloved late husband was tired of the ever repeating requests for more or less the same old designs. You know, he understood himself more of an artist!" Ob das zu dick aufgetragen war? Nun ja, sie hatte es immerhin fertig gebracht ihren leider verstorbenen Ehemann davon zu überzeugen dieses Abenteuer einzugehen... Jetzt lag es also allein bei ihr, wie diese Geschichte erzählt würde...

    Dankbar nahm die Witwe das gefüllte Glas entgegen. Dass die Umgangsformen in dieser neuen Welt lax waren, soviel hatte sie in der Zwischenzeit nun wirklich mitbekommen. Doch von einem so ehrbaren Gelehrten wie ihrem Gastgeber hatte sie dann doch mehr erwartet.

    "Zartbesaitet? I don't think I came across that expression? But, rest assured: I am not going to go back soon. The Middlelands hold nothing for me. But here", ihre Augen begannen zu leuchten " here I can start a new. Those Mulberrytrees you wrote about: They are perfect!"

    Die Witwe atmete tief durch. Diese Gelehrten hatten vermutlich allerlei andere, bedeutsamere Dinge im Kopf. "Well, I... Thank you, Mister Obnoxius, for your condolences." Ein weiterer tiefer Seufzer. "Pardon me, Mister Obnoxius. It's all still quite... fresh"

    Diese Frage ging unter den gegebenen Umständen doch etwas zu weit!

    "..." Die Witwe öffnete einige Male sprachlos den Mund, kam sich vor wie ein Karpfen und griff nach ihrem Weinglas. Einen tiefen Schluck später fühlte sich sich zu einer ersten Antwort im Stande. "As you are well aware..." begann sie mit verzweifeltem Lächeln, " died my beloved husband during the journey..." noch ein Schluck. "But apart from that, " ihre Stimme klang selbst in ihren eigenen Ohren etwas schrill, " apart from becoming a widow, it went quite smoothly. Thank you for your consideration!" War ihr Glas tatsächlich schon leer?

    Lächelnd erhob sich die Witwe von ihrem Platz und grüßte ihren Gastgeber. In diesem Land herrschten eideutig ...andere... Sitten...

    "Mister Obnoxius! My pleasure. No, don't worry about it. I just arrived here myself." Tatsächlich war sie zwar pünktlich zu der Verabredung erschienen, aber es war knapp gewesen: Nachdem sie heute die Maulbeerebäume und die Raupen begutachtet hatte, musste sie dringend ein Bad nehmen (diese Temperaturen!) und sich anschliessend dem Anlass entsprechend neu einkleiden. Der Magister selbst wirkte allerdings auch etwas zerrupft... Fast, als hätte er seinen Abendgehrock einfach über Hemd und Hose des Tages geworfen...

    Die Witwe atmete tief durch. Bisher hatte sie den charmanten Gelehrten nie ohne ihren jüngst verstorbenen Gatten getroffen, und auch dann immer nur um geschäftliches zu besprechen. Er würde diese Verabredung zum Dinner doch nicht etwa vergessen haben?!

    Da öffneten sich die Vorhänge erneut und- nein, es war nicht Mister Obnoxius. Nur ein Knabe mit dem Wein. Sie nickte ihm wohlwollend zu,"Leave the bottle, boy!", und nippte an dem roten Getränk.

    "Well, at least they know about propper wine around here..." murmelte die Witwe, während sich der Vorhang wieder hinter dem Jungen schloss.

    Der stille, junge Mann führte die Witwe Blake in einen etwas abgelegeneren Teil des Schankraums, zog den Vorhang beiseite und wies ihr einen Platz am Tisch. "Mister Obnoxius is not here yet?" fragte die Witwe, doch der Kellner zuckte nur die Schultern. Nun, dann würde sie eben warten. "I'll take some wine while I wait.", trug sie ihm auf, während sie sich setzte.

    Der Alltag hat auch im Arcón Rouge wieder Einzug gehalten. Der große Schankraum ist wie immer gut besucht, vom all-abendlichen Andrang aber noch weit entfernt.

    An einem Tisch, sitzt Harold. Er ist in Gedanken noch ganz bei der netten Gesellschaft der letzten Nacht. Oh, diese Beine! Wieviel Kraft doch in diesem zarten Körper....

    "Would you kindly pass me the sugar, Harold.", reißt ihn da die Stimme seiner Herrin aus dem Tagtraum. " Yes, Mam! Natürlich!"

    In respektables schwarz gekleidet sitzt ihm die Witwe seines ehemaligen Arbeitgebers gegenüber. Aufrecht wie immer.

    Die Witwe Blake nimmt zwei kleine Löffel Zucker in ihren Tee, rührt um, und blickt ihren... Angestellten? Diener? Aufpasser? einen Moment schweigend an. Sie weiß, dass ihn das nervös macht.

    "Well?", erlöst sie ihn schließlich, "Could you find someone who seems competend enough to please my needs?" Harold, noch ganz bei seinen eigenen lüsternen Gedanken, hustet kurz auf, bis ihm einfällt, dass die Witwe von Handwerkern spricht und nicht von... nunja... Gunstgewerblern. "Es tut mir wirklich leid, Mam. Es gibt eine ganze Reihe Näherinnen in der Stadt aber keinen einzigen ausgebildeten Schneider."

    Die Witwe nippt an ihrem Tee. "How unfortunate even though not unexpected." Ihre behandschuhten Finger trommeln nachdenklich auf der Tischplatte. "I'll talk to some of those seamstresses. Maybe they are not completely worthless.", sie leert ihre Tasse - wobei sie leicht das Gesicht verzieht, "How people may call this leavesoup Tea is beyond me. Anyway. Harold, I intend to go see the mulberrytrees again, the moths need inspection, and I am going to dine with Mister Obnoxious this evening. I think I really should talk to someone about the horrendous situation of the textile Indusry around here. Well, you go and find someone capable of weaving silk PROPPERLY, not that knotty abomination they presented me the day before."

    In einer fließenden Bewegung steht die Witwe auf und greift nach ihrem Sonnenschirm.

    Auch Harold erhebt sich. Als er Anstalten macht ihr Richtung Ausgang zu folgen, winkt sie ihm ab: "No, Harold, I won't be needing you today. I am quite capable of looking after myself, you know? Good bye!"

    Mit rauschenden Röcken schreitet die Witwe Blake aus dem Arcón Rouge heraus auf die Straßen dieser köstlich wilden Stadt. Oh wie sie dieses Abenteuer genießt!

    Harold hingegen hasste es, wenn sie das tat: Ihn einfach abbestellen. Der letzte Auftrag des verstorbenen Mister Blakes war es immerhin, dass er, Harold, Misses Blake beschützen und wenn nötig verteidigen sollte! Konnte dieses Weib nicht einfach in Stille trauern und Stickarbeiten anfertigen, wie es sich gehörte? Andererseits.... Ein Bierchen auf kosten der Witwe, vielleicht auch zwei...?

    Und auf Harolds Gesicht breitet sich ein zufriedenes Grinsen aus.