Wie immer zerzaust und staubig, poltert Cassandra in die Küche herein. Die Tür zum Hinterhof hat sie schwungvoll mit der Hüfte aufgedrückt und steht jetzt leicht derangiert, aber über das gesamte Gesicht strahlend, in der Küche.
"Cuvée !! Bin ich sich schon da!" Sie sieht sich um, ihr Blick fällt auf die hüpfende Magd des letzten Monats. "Madchen, hol schnell einen der Jungen und lade meine Kutsche ab, ich bin gleich wieder unterwegs!"
Cassandra wirbelt aus der Küche raus, rüber in ihr eigenes Zimmer, zerrt die Reisetruhe unter ihrer Schlafstätte hervor und beginnt, wie durchgedreht, aus allen möglichen Schubladen, Kisten und Truhen ihre "nicht-Feldzug"-Gewänder in die Reisetruhe zu werfen.
"Du!", blafft sie eine vorbeigehende Küchenhilfe an, "sag dem Kutscher, in dreißig Augenblicken fahren wir wieder ab!"
Sie räumt ihre kleine Schmuckkiste und den schönen Fächer in die Reisetruhe, steht auf und lässt einmal den Blick durch ihren Schlafraum schweifen. An der Tür hängt der von ihr beim reinkommen abgehängt Onkel Yurij in seinem Beutel, der wie immer biestig vor sich hin grummelt.
"Onkelchen, selbstverstandlich kommst Du mit auf meine große Reise, ich kann Dich nicht bei den Mägden lassen, Du sturer Bock." Cassandra legt den Kopf zur Seite und lauscht seiner Antwort. Sie denkt kurz nach, schüttelt dann den Kopf und antwortet: "Nein, das Marit-Madchen nehmen wir nicht mit. Sie ist wirklich wunderbar, aber der Feldzug war fur sie schon neu, da braucht sie Erholung." - sie lauscht - "Ja, eventuell schicken wir einen Boten und holen sie nach, gute Idee Onkel!"
Sie packt hier und da noch ein paar Kleinigkeiten zusammen und ist ein paar Augenblicke später so weit, ihre Reisetruhe in den Gang zu zerren.
"Merlot! Holst Du sich bitte meine Truhe und bringst sie auf die Kutsche?! Dankeschon!"
Sie breitet liebevoll ihre Tagesdecke über das Bett und tritt einen Schritt zurück, um feierlich ihre Kammer zu betrachten, die in den nächsten Wochen und Monaten unberührt bleiben wird. "Was sagst Du? Ja, ich weiß auch nicht, wieso mich der furchterliche Beamte ausgelacht hat. - Ja ich denke auch, er wusste noch nichts von meinem Titel als Mistress. Dabei war Cousines Stimme doch kaum zu uberhören!" Sie tritt zur Tür, stellt fest, dass die Reisetruhe schon geholt wurde, nimmt Onkel Yurij vom Haken und geht zurück in die Küche.
"MADCHEN HORT ALLE GUT ZU! Ich wollte ja warten bis Cousine Rama mit ihrer wunderschönen Holzkutsche zuruck kommt, bin aber schon fur nachste Woche zum Festmahl bei Graf Sigbert zu Freyburg von Rotburg eingeladen. Er war Gast des Barons am Casinoabend und sehr angetan von den Madchen. Er mochte sehen, ob ich seiner Hausdame helfen kann, seine Hofdamen zu schulen. Danach reise ich weiter in den Markischen Bund. Admiral Tares O'Grady Windschreiter, Gouverneur der Mitasperanischen Hanse und Minister für Finanzen und Elementangelegenheiten des Marischen Bundes hat mich eingeladen, ihn bei der .. oh je wie war sich wichtiges Wort .. hmmm .. also ich darf ihn begleiten ein paar Tavernen des Bundes zu betrachten. Wieso man nur von außen schauen soll, habe ich nicht verstanden, aber die Einladung kam mit einem sehr schwitzigen und eiligen Boten, da kann ich ja kaum absagen. Außerdem ist der Herr Admiral sehr schon anzusehen, das entschadigt eventuell fur hassliche Tavernen" - leichtes Gekicher unter den Mägden und ein Merlot-typisches-Augenrollen, der grade von draußen hereingekommen ist - "und an Schluss von große Reise werden Onkel Yurij und ich den Baron zu Graustein in seiner eigenen Scholle Neutralis im Markischen Bund besuchen. Seine wunderbare Geliebte Erinnye und ich haben bestimmt einige Rezepte und Gepflogenheiten auszutauschen. SO!"
Cassandra blickt kurz jedem der Anwesenden in die Augen, sieht leichte Freude sie endlich verschwinden zu sehen aber auch Abschiedsschmerz. "Bin ich dann jetzt ein paar Wochen oder auch Monate unterwegs, weiß ich noch nicht. Ich habe Onkelchen Yurij bei mir, sagt Rama sie soll sich keine Sorgen machen. Das Madchen Marit wurde gut angelernt ... aber haltet sie von den Topfen fern, kochen kann sie noch nicht!" Und mit einem schwungvollen Satz macht sich Cassandra auf den Weg in den Hinterhof, steigt zum (sichtlich erschöpft aussehenden) Kutscher auf das Fuhrwerk und macht es sich bequem.
"Los geht sich! Mistress ist sich jetzt unterwegs! Ich schicke bestimmt einen Boten!"
Und Cassandra macht sich samt Reisetruhe und Onkel Yurij auf den Weg.