Auf Patrouille

  • Der Beamte blieb stehen und rümpfte die Nase. Da lag tatsächlich etwas in der Luft. Wenn man sich anstrengte und sich das Salz und die Lavendelnote, die stets in jedem Luftzug mitschwang, wegdachte, blieb da noch ein Hauch eines ganz anderen Geruchs. Er versuchte zu ergründen, aus welcher Richtung dieser kam. Langsam ging er ein paar Schritte in die eine, dann wieder in die andere Richtung und schlug schließlich den Weg in eine düstere Gasse ein, die von verlassenen Gebäuden flankiert wurde.

    Ein anonymer Hinweis hatte die Staatskanzlei erreicht, dass im unbewohnten Gebiet nahe der Absturzstelle Dinge vor sich gingen. Man höre sonderbare Geräusche und der übliche Lavendelgeruch sei durch irgendwas getrübt. Daraufhin hatte man ihn vor drei Tagen auf Patrouille geschickt. Bisher war ihm nichts aufgefallen, obwohl er zu unterschiedlichen Zeiten hier umher gestreift war. Aber jetzt war er sich sicher, dass er eine Spur gewittert hatte. Der Geruch wurde etwas stärker. Leicht säuerlich. Metallisch. Er ging tiefer in die Gasse hinein, und hielt nach irgendetwas Auffälligem Ausschau. Und dann sah er es. Vor einem Haus am Ende der Gasse stand ein Schild. Eigentlich eher eine halb verwitterte Holzplanke. Und in roter Schrift - er hoffte inständig, dass es sich um Farbe handelte - stand dort „Fleischergilde“.

    Wie angewurzelt blieb der Beamte stehen. Alleine würde er sicherlich nicht weitergehen. Er brauchte Verstärkung, wenn er in diesem Haus nach dem Rechten sehen wollte. Er notierte sich die genaue Adresse des Gebäudes und verließ hurtig die schattige Gasse in Richtung der Staatskanzlei.

  • Es herrschte schon reges Treiben in der neuen Gilde der Rotkappen. Die Hackebeile surrten durch die Luft als Aey an einem Leib einer frisch geschlachteten Kuh stand. Er trieb das Beil mit einer schnellen gekonnten, fast schon ästhetischen Bewegung am Knochen entlang in die Schulter des Rindes. Die Bürger, die sich freiwillig gemeldet hatten, um das Fleischerhandwerk zu lernen, standen mit offenen Mündern da. Fasziniert vom Treiben der Rotkappe, vergaßen sie teilweise sich zu merken, wie sie welchen Schnitt durchzuführen hatten.

    "Ich hoffe ihr passt alle gut auf, was ihr zu tun habt, damit ihr ab morgen selbst eine Kuh zerlegen könnt, wir haben viel zu tun!", sagte Aey fast schon mit appellierendem Ton, "Bei uns soll es nur das gute Fleisch geben, nur die höchste Qualität. Denn wenn wir gute Qualität liefern, verdienen wir mehr Silber, mehr Silber heißt mehr Fleisch und das heißt wiederum mehr Anteil für uns Rotkappen. Habt ihr das alle verstanden?" Alle Anwesenden nickten hastig, denn sie hatten alle doch ein wenig Angst vor den beiden Rotkappen, vorallem wenn sie nur einen von beiden sahen und nicht wussten wo die zweite Rotkappe sich aufhielt.


    Nach einigen Momenten kam Baey lachend in den Raum gestolpert. Sie bekam sich kaum ein und fing an zu reden: "Ey, Aey. Da draußen war grad jemand, sah offiziell aus... Hab ihn vom Dach des Hauses auf der anderen Straßenseite beobachtet. Er blieb wie angewurzelt stehen und hat unser schönes Schild bewundert. Ich glaube die rote Farbe für das Schild zu wählen war eine geniale Idee, es erinnert halt an rohes Fleisch und nicht jeder denkt, so wie du gesagt hast direkt an frisches Blut." "Also das ist interessant, vielleicht macht er nun für uns Werbung und kommt mit neuen Kunden zurück.", erwiderte Aey und schnitt gerade ein schönes Stück Filet zurecht und präsentierte Baey und den neuen Fleischern das qualitativ tolle Stück Fleisch. Er setzte noch einen Satz zu Baey nach: " Und hoffentlich vertreibt das endlich das ekelhafte Gerücht, was über uns erzählt wird, wir würden minderwertiges Fleisch oder gar Rattenfleisch anbieten. Denn das ist eine haltlose Behauptung die sich hoffentlich bald wieder zerstreut. Denn wie ich schon erwähnte: schlechtes Fleisch kein Silber, kein Silber kein neues Fleisch." Woraufhin er ein Teil der Innereien des Rindes in den Mund nahm und es wie eine lange Nudel in den Schlund zog.

  • Der Beamte bog wieder in die düstere Gasse ein. Ihm folgten zwei Gardisten der Stadtwache mit Kurzschwertern am Gürtel. Zwei weitere Wachen postierten sich einige Schritte hinter ihnen, die Speere lässig aufgestellt, aber dennoch fest im Griff. Man konnte ja nie wissen, Vorsicht war besser als Nachsicht.

    Das mulmige Gefühl ließ sich nicht abschütteln. Er atmete tief durch. Er würde nun einfach an die Tür klopfen und demjenigen, der öffnete, freundlich, aber bestimmt, mitteilen, dass es Beschwerden der Nachbarn über Geräusch- und Geruchsbelästigung gegeben habe und ob er einmal nach dem Rechten sehen dürfe. Falls er dürfte, würde er sich kurz umsehen, ob irgendetwas in die Kategorie der Ordnungswidrigkeiten fiele und dann nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob die Staatskanzlei hier überhaupt tätig werden musste. Vielleicht war ja alles in bester Ordnung und es gab nur ein Belüftungsproblem.

    Er nickte den beiden Gardisten hinter ihm kurz zu und klopfte dann dreimal fest gegen die Tür.

  • "Ey, Baey da ist Kundschaft an der Tür!" Aey wischte sich, seine leicht blutigen Hände an der Schürze ab,um einen "ordentlicheren" Eindruck zu vermitteln. Die große Rotkappe ging zügig zur Tür um den Klopfenden nicht lange warten zu lassen. Als er die Tür öffnete wurden seine Augen groß und funkelten, denn es waren sogar 3 Kunden. "Oh was verschafft mir die Ehre, gleich drei Leute. Oh da zeig ich aber das Beste vom Besten..." Er huschte einen Meter nach hinten und nahm einen Korb der dort platziert war. "Einer der Herren schon mal eine Kostprobe, eine Mettwurst oder ein Stück Räucherschinken, leider noch nicht voll gereift in der kurzen Zeit aber dennoch delikat. Oder für den Kenner der guten Kost für zwischendurch ein wenig Dörrfleisch vom Rind? Bei uns kommt nur das beste Fleisch auf den Tisch und auch nur in frischer Qualität und nichts verdorbenes oder ranziges, das wird "fachgerecht" in der Kanalisation entsorgt oder Baey "kümmert" sich darum." Aey ging in den nächsten Raum und präsentierte Stolz die Ware der beiden Rotkappen. Es hingen Würste, 2-3 Schinken und einige Streifen Trockenfleisch an der Decke an Haken, die an einem alten Netz, was an die Decke angebracht wurde. Hinter dem großen leicht blutigen Tisch in der Mitte lagen auf einem kleinen Thresen zig verschiedene Messer und Hackbeile deren Metall hell in den wenigen Sonnenstrahlen, die durch die zugenagelten Fenster fielen, aufblitzte. Neben dem Thresen war eine Tür durch die man nur erahnen konnte was sich dahinter verbarg. Man sah einige Haken an der Decke, die um einiges größer waren als die für die Schinken im Vorraum. Und man konnte ganz hinten am anderen Ende des Raumes eine Art großes Loch im Boden erkennen. "Aber hier, das ist unser ganzer Stolz, unser Räucherofen!" Die dicke Rotkappe deutete auf eine Tür die sehr neu und nicht ursprünglich zum Haus gehörig ausschaute. Aey öffnete sie und man ging in einen großen Raum, der scheinbar mal eine Vorratskammer gewesen sein musste, denn es gab keine Fenster nur ein Loch in der Decke und ringsherum auf Füßhöhe mehrere kleinere Löcher. Unter dem Loch in der Decke befand sich ein großer aus Lehm geformter Räucherofen. Reichlich verziert mit Rotkappen Motiven, wie Fratzen, Krähenschädeln und großen Pilzen. "Den hat Baey, eigenhändig gebaut und verziert, unser ganzer Stolz! Aber genug von unserem schönen Gildenhaus geschwärmt. Was darfs für die Herren sein?" Und Aey zeigte auf die Auswahl an Fleischdelikatessen an den Haken an der Decke.

  • Der Beamte war völlig überrumpelt. Die Rotkappe, die ihn um etwa anderthalb Köpfe überragte, hatte ihn kurzerhand ins Haus bugsiert und schleifte ihn nun durch die Räume. Eine Flut von Eindrücken prasselte auf ihn ein: der Geruch von geräuchertem Fleisch, überall Blut - Spritzer auf den Wänden, Lachen am Boden, Flecken auf der Schürze der Rotkappe - und von irgendwo her das schmatzende Geräusch von Eingeweiden, die aus Kadavern entfernt werden.

    Nun fand er sich im Verkaufsraum wieder und starrte auf die wirklich lecker aussehenden Schinken an der Decke, auf die die Rotkappe deutete. Die plötzliche Stille und der erwartungsvolle Blick seines Gegenübers ließen den Beamten vermuten, dass er nun etwas sagen sollte.


    „Ähm…also das… wo bin…“ Erleichtert entdecke er die beiden Gardisten, die im Türrahmen standen und die Waren gierig ansahen. Er sammelte sich kurz und begann von neuem. „Also Herr… Rotkappe. Vielen Dank für die spontane Führung durch ihre Räumlichkeiten. Ich bin hier als Vertreter der Staatskanzlei und wollte mich in der Tat einmal umsehen, da Ihr Etablissement bisher nicht bei uns gemeldet ist. Sie haben hier also eine Fleischerei mit Lager und Verkaufsraum? Wann wurde denn hier der Betrieb aufgenommen? Ich höre, dass noch mehr Leute im Haus sind, gehören die auch zu ihnen? Und diese Schinken und Würste.. in der Tat würde ich gerne eine Auswahl an ihren Produkten kaufen. Wenn Sie mir einfach einen Korb für insgesamt einen Silber Warenwert zusammenstellen könnten? In der Zwischenzeit würde ich mir gerne die Produktionskette zeigen lassen, wenn das möglich ist. Also wo und wie die Tiere verarbeitet werden, bis sie hier oben als Schinken von der Decke hängen. Reine Routine, wir müssen nur sicherstellen, dass das Fleisch fachgerecht verarbeitet wird und der Verzehr für Menschen und ähnliche Wesen unbedenklich ist.“

  • DIe großgewachsene Rotkappe, nahm den Beamten an der Hand und zog ihn kurzer Hand hinter die Theke und durch die Tür in den Raum, wo das Fleisch verarbeitet wurde. "Also hier hätten wir unsere Mitarbeiter: Alexej, Miro, Oleg und Juri. Sie haben alle eine einführung genossen, was es bedeutet mit Dingen zu arbeiten, die zum Verzehr gedacht sind.", während er dies sagte deutete er auf die 4 Männer die gerade dabei waren, die Waren vorzubereiten. Sie filetierten, zerteilten und sortierten das Fleisch welches vor ihnen lag. Zeitgleich war ein Mitarbeiter damit beschäftigt die Abfälle wegzuschaffen und durch eine kleine Tür an der hinteren Wand zu bringen. "Miro kümmert sich darum, dass der Dreck und die Dinge die wir nicht benötigen immer sofort weggebracht werden. Er bringt die Dinge in unseren Abfallraum, in dem sich ein großer Zugang zur Kanalisation befindet, in die wir den Unrat direkt entsorgen. Wir verarbeiten auch nur frische Tiere die wir nach dem Einliefern selbst hier schlachten." Er deutete in eine Ecke in der sich ein kleines Gatter, mehrere Scharfe Messer, Metalleimer, ketten und auch eine Armburst mit extrem dicken Bolzen befand. "Die Tiere werden dann fixiert und und mit dem eigens von einem Wissenschaftler entworfenen Gerät zur schnellen schmerzfreien Tötung entworfenen Bolzenschussgeräts, getötet. Allerdings weiß ich nicht ob ich ihnen den genauen Prozeß weiter erklären soll, da dieser schon recht unappetitlich wirken kann. Ich habe erst vor einigen Stunden frisch geschlachtet und habe danach putzen lassen, sodass alles dort blitzeblank ist. Wir schlachten auch ausschließlich Tiere, die auch von anderen Fleischern bearbeitet werden, nichts abnormes oder ekeliges." Aey war sehr zuversichtlich, immerhin will er ein ernsthaftes und sauberes Geschäft führen und der bekannteste Fleischer der Stadt werden, denn beim verarbeiten von Fleisch empfand er sehr viel Freude. "Achso und zu eurer ersten Frage... Angefangen haben wir vor einigen Wochen, kurz nachdem wir dieses Haus gefunden hatten. So aber nun zum wichtigsten, irgendeine Lieblingsfleischsorte oder sollen wir euch und den beiden Wachen einfach etwas passendes zusammenstellen. Denn wenn es euch schmeckt, könnt ihr uns weiter empfehlen."